2021-03-22 | Auf den Spuren christlicher Märtyrer im Bistum Aachen

von Prälat Prof. Helmut Moll, dritter Teil

Der Kontrolleur Josef Schaffrath (1898-1944) wurde in Würselen geboren. Als junger Mann trat er dem „Zentrum“ bei und wurde für seine Partei in den Stadtrat von Würselen gewählt. Nach dem Jahr 1933 im Rahmen der „Gleichschaltung“ weigerte er sich zunächst sein Mandat niederzulegen. So geriet er ins Visier der Gestapo und stand mit seiner Familie unter ständiger Beobachtung. Die „Aktion Gewitter“ im Jahre 1944 nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler erfasste auch Schaffrath. Viele Mandatsträger der alten inzwischen aufgelösten Parteien wurden verhaftet. Josef Schaffrath wurde in das KZ-Außenlager Köln-Deutz transportiert. Dort erlag er einer Ansteckung mit Thyphus am 7. Oktober 1944. Offensichtlich hatte er sich in der Pflege erkrankter Mithäftlinge selber angesteckt. Sein Leichnam konnte nach Würselen überführt werden und wurde auf dem Friedhof von St. Sebastian beigesetzt.

Pfarrer Fritz Keller (1891-1943) wurde nach der Neuerrichtung im Jahre 1930 Priester des Bistums Aachen. Nach Stellen in Oberhausen und Düren wurde der Geistliche im Jahr 1937 zum Pfarrer von St. Sebastian in Stolberg-Atsch. Längst wurde der Priester wegen seiner ablehnenden Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus von der Gestapo überwacht. Eine Sammlung für Renovierungsarbeiten an der Kirche bot den Anlass zur Verhaftung des Pfarrers. Solch eine Kollekte widersprach dem „Sammlungsgesetz“. Schon drei Wochen später fand sich der Pfarrer im KZ Dachau wieder. Der Gefangene konnte sich aber tatsächlich einen Gerichtstermin vor dem Aachener Amtsgericht erwirken. Auf abenteuerlichen Wegen gelang ihm der Weg zurück in die Heimat. Es gilt als Ruhmesblatt der Aachener Justiz, den Angeklagten tatsächlich im ersten Verfahren zum Ärger der Gestapo freigesprochen zu haben. Franz Oppenhoff, der selber später von einem Todeskommando der NS ermordet wurde, hatte seine Verteidigung übernommen. Der Freispruch aber bewahrte den Pfarrer nicht vor einer weiteren Schutzhaft. Sie traf allerdings inzwischen einen völlig entkräfteten und von den Lagerentbehrungen gezeichneten Mann. Man verlegte ihn in das Gefängnis von Aachen, da er den Transport zurück nach Dachau nicht mehr überleben würde. Am 15. Mai 1943 fanden die Wachbeamten den Gefangenen tot auf dem Zementfußboden seiner Zelle. In seinen Händen lag ein Heft mit Kreuzweggebeten.

Östlich des Stadtzentrums in Aachen erstreckt sich die Oppenhoffallee. Die Namensgebung erinnert an den mutigen Aachener Juristen Franz Oppenhoff (1902-1945). Aachen war die erste deutsche Stadt, die bereits am 21.10.1944 durch amerikanische Truppen von den Nationalsozialisten befreit wurde. Franz Oppenhoff war als Gegner des NS-Regimes bekannt. Auf Vermittlung des Bischofs von der Velden (1891-1954) stellte sich der Beamte den Alliierten als Oberbürgermeister zur Verfügung – wohl wissend, dass er damit sich und seine Familie unmittelbarer Gefahr aussetzte. Von oberster Stelle der NSDAP wurde tatsächlich seine Liquidierung angeordnet. Die Mörder fanden einen Weg zu seinem Wohnort. Sie gaben sich als auf der Flucht befindliche deutsche Soldaten aus, die Unterschlupf suchten. Als Franz Oppenhoff ihnen Zutritt gewährte, erschossen sie am 25. März 1945 den furchtlosen Politiker. Seine letzte Ruhestätte fand er in der Gruft seiner Familie auf dem Aachener Ostfriedhof.

Priester des Bistum Aachen war Pfarrer Friedrich Dinstühler (1896-1945). Seine erste Dienststelle stellte Eschweiler dar, wo er in Dürwiß-St. Bonifatius und in der Kirche St. Peter und Paul wirkte. Sein weiterer Weg führte nach Hückelhoven, wo er an der Kirche St. Barbara und seit dem Jahre 1938 an St. Lambertus als Pfarrer tätig war. Schon im Jahre 1936 war ein Konflikt mit den örtlichen NS-Behörden aktenkundig geworden. Der Pfarrer hatte in seiner Predigt die Einheit der Hl. Schrift, des Neuen und Alten Testamentes betont. Er wandte sich damit gegen die nationalsozialistische Beeinflussung, das Alte Testament wegen seiner Beziehung zum Judentum zu diskreditieren. In den letzten Tagen des Krieges hielt Pfarrer Dinstühler in Hückelhoven bei den verbliebenen Pfarreimitgliedern aus. Ein vertrauliches Gespräch, in dem er seine Ablehnung des NS-Regimes erneuerte, wurde ihm zum Verhängnis. Am 18.12.1944 erfolgte die Verhaftung im Pfarrhaus und Überführung in das KZ Buchenwald. Hier verstarb er am 30. März 1945. Die Pfarrgemeinde St. Lambertus hat an der Außenwand des alten Chores einen Gedenkstein eingelassen, der des „treuen Märtyrerpriesters“ gedenkt.

Es wird verwundern, dass das deutsche Martyrologium auch Dechant Hubert Berger (1889-1948) aufgenommen hat. Der aus dem Bergischen Land stammende Geistliche hatte seine Haft im KZ Dachau in den Jahren 1941 bis 1945 überlebt. Der Pfarrer von Otzenrath St. Simon und Judas Thaddäus galt als vorsichtig. Ihm wurde aber dennoch eine Predigt gegen das NS-Regime zur Last gelegt. „Kanzelmissbrauch“ nannten die Behörden das „Vergehen“. Sie führte zu seiner Überführung in das KZ Dachau, ohne dass ihm je ein Prozess gemacht wurde. Vier Jahre trotzte er den unmenschlichen Bedingungen des Lagerlebens und konnte am 29. April 1945 die Befreiung des Lagers durch amerikanische Truppen erleben. Er kehrte nach Otzenrath, heute ein Stadteil von Jüchen, zurück. Seine Demut und Zurückhaltung, seine Bereitschaft zu Verzeihung und Vergebung beeindruckten die Pfarreimitglieder. Das Lagerleben aber hatte doch tiefe Spuren in die Gesundheit des vormals kräftigen Priesters gegraben. Am 30. Oktober 1948 verstarb er im Krankenhaus in Grevenbroich. Man war sich sicher, dass er den Folgen der schweren Entbehrungen erlegen war. In Otzenrath erinnert noch heute die „Dechant-Berger-Str.“ an ihn.

Foto: Franz Oppenhoff, Josef Schaffrath, Dechant Hubert Berger, Privatarchiv Dr. Moll

Lesen Sie im vierten Teil von dem Buchdrucker, der einer jüdischen Familie zur Flucht verhalf!

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