Lange Jahre konnte ich mit dem Pfingstfest ziemlich wenig anfangen. Weihnachten leuchtete mir immer ein, Gott wird Mensch, der Heiland kommt auch zu mir. An Ostern erwirkt Christus uns durch Leiden, Sterben und Auferstehung die Erlösung. So weit, so gut. Aber Pfingsten?
Der Heilige Geist kommt in Feuerzungen auf die Apostel herab. Evangelium mit special effects, aber was hat das mit mir zu tun?
Erst mit über 30 Jahren habe ich in einem „Geistesblitz“ verstanden, dass Pfingsten nicht einfach ein Erinnerungsfest ist zum frommen Gedenken an das, was vor 2000 Jahren in Jerusalem geschehen ist, sondern dass Gottes Geist an Pfingsten auch auf mich herabkommt. (Ich kann heute nicht mehr sagen, ob ich 30 Jahre lang in der Kirche nicht genug aufgepasst habe oder ob Pfingsten damals auch von manchen Pfarrern und Religionslehrern gnadenlos unterschätzt wurde.)
Christus will nicht, dass die Seinen nach Seiner Himmelfahrt trostlos zurückbleiben, wie abgeschnitten von der Quelle. Deshalb schenkt Er uns den Heiligen Geist als bleibende Verbindung zu Gott – und zur Überwindung des social distancing. Wir hören ja in der ersten Lesung des Pfingstsonntags, dass die Jünger immer gemeinsam im Obergemach in Jerusalem waren, bis der Geist auf sie herabkam und sie hinausschickte in die Stadt (und letztlich in die Welt), wo jeder sie in seiner Sprache Gottes große Taten verkünden hört.
Natürlich leben wir – leider – nicht ständig in glücklicher Geistbeseeltheit, sondern immer wieder horchen und tasten wir mehr oder weniger mühsam nach der Anwesenheit des Heiligen Geistes in uns und beten um Seinen Beistand. Eines der schönsten Gebete, das ich überhaupt kenne, ist das Komm, Heiliger Geist – Veni Sancte Spiritu, das am Pfingstsonntag vor dem Evangelium als Sequenz gebetet wird: In kurzen, reduzierten, eindringlichen Sätzen vereinen sich Lobpreis und Bitte um das, was wir für das Leben in dieser und in der anderen Welt brauchen – Gedicht und Stoßgebet. Wie für mich geschrieben.
Komm herab, o Heilger Geist,
der die finstre Nacht zerreißt,
strahle Licht in diese Welt.
Komm, der alle Armen liebt,
komm, der gute Gaben gibt,
komm, der jedes Herz erhellt.
Höchster Tröster in der Zeit,
Gast, der Herz und Sinn erfreut,
köstlich Labsal in der Not.
In der Unrast schenkst Du Ruh,
hauchst in Hitze Kühlung zu,
spendest Trost in Leid und Tod.
Komm, o du glückselig Licht,
fülle Herz und Angesicht,
dring bis auf der Seele Grund.
Ohne Dein lebendig Wehn
kann im Menschen nichts bestehn,
kann nichts heil sein noch gesund.
Was befleckt ist, wasche rein,
Dürrem gieße Leben ein,
heile Du, wo Krankheit quält.
Wärme Du, was kalt und hart,
löse, was in sich erstarrt,
lenke, was den Weg verfehlt.
Gib dem Volk, das Dir vertraut,
das auf Deine Hilfe baut,
Deine Gaben zum Geleit.
Lass es in der Zeit bestehn,
Deines Heils Vollendung sehn
und der Freuden Ewigkeit.
Amen. Halleluja
(Gotteslob Nr. 344)
Ein frohes und gesegnetes Pfingstfest Ihnen allen!
Foto Kathedrale, St. Louis, USA: A. Vogg